Von 1951 bis 1994 existierte der Kienzle-Standort in Oberndorf am Neckar

 

Ausgangspunkt: Das Mauser-Büromaschinenprogramm

Die Geschichte des Zweigwerks Oberndorf der Kienzle Apparate GmbH beginnt nach dem Kriegsende 1945 mit der Demontage der in Oberndorf ansässigen Mauser-Werke AG. Bekannt ist das Unternehmen Mauser bis heute für seine Waffenproduktion. In der Zwischenkriegszeit war Mauser aber infolge der Versailler Verträge gezwungen gewesen, seine Produktion im Bereich ziviler Produkte auszubauen. Neben dem Bau von Automobilen, Messwerkzeugen und Nähmaschinen bot es sich für den feinmechanischen Betrieb an, eine eigene Büromaschinenfertigung aufzubauen. 1929 übernahm Mauser die Konstruktion von Saldiermaschinen der Marke Reinhardt und ab 1933 brachte man eigene Modelle von Addier- und Buchungsmaschinen auf den Markt.

 

 

 

Kienzle kam 1951 nach Oberndorf

Nach Kriegsende 1945 wurden die Mauser-Werke umfangreichen Demontagemaßnahmen unterworfen und die Fertigung von Büromaschinen vollständig eingestellt. Als Kienzle Apparate in Villingen begann, eine eigene Büromaschinenfertigung aufzubauen, war man an der Beschäftigung entsprechend qualifizierten Personals interessiert. Sowohl im Leitungs- als auch im Facharbeiterbereich stellte man Mitarbeiter aus dem nur 40 km entfernten Oberndorf ein. Um das in Oberndorf ansässige Wissen und Können optimal nutzen zu, entschloss sich Kienzle Apparate 1951 dazu, in Oberndorf einen Zweigbetrieb zu eröffnen.

 

Zunächst lernte das Unternehmen etwa 20 Mitarbeiter im Villinger Hauptwerk an, um danach mit etwa 50 Mitarbeitern in Oberndorf mit der Büromaschinenfertigung zu beginnen. Das Zweigwerk wurde in Teilen eines Nebengebäudes der ehemaligen Mauser-Werke untergebracht, das die Firma 1958 auch kaufte, womit man in Oberndorf über 2.000 m2 Produktionsfläche verfügte. Die ersten zwei Jahre stand das Werk unter der Leitung von August Weiss. 1953 wurde Karl Grimm dessen Nachfolger.

 

Mit dem Aufschwung des Kienzle-Büromaschinengeschäfts wurde auch der Standort Oberndorf stetig ausgebaut. 1957 waren gut 200 Arbeiter mit der Fertigung und Montage von Teilaggregaten für verschiedene Saldier- und Buchungsmaschinen beschäftigt; Anfang der 60er Jahre stieg deren Zahl auf über 300 an und bereits 1966 konnte der 400. Mitarbeiter eingestellt werden. Um den Raum- und Flächenbedarf decken zu können, wurde während der 60er Jahre eine zusätzliche Fertigung im benachbarten Ort Sulz aufgebaut, wo zeitweise 100 Beschäftigte arbeiteten, und im Stadtteil Altoberndorf kamen 1963/64 zwei Fertigungshallen hinzu. 1966 entstand in Altoberndorf ein Erweiterungsbau, der auch die Abteilungen aus Sulz aufnahm, wodurch das dortige Zweigwerk aufgelöst wurde. 1969 wurde eine vierte Werkshalle in Altberndorf errichtet, wodurch der Standort über insgesamt 6.000 m2 Produktionsfläche verfügte.

 

Zunächst waren in Oberndorf die klassisch-mechanischen Saldier- und Buchungsmaschinen gefertigt worden. In den 60er Jahren traten an deren Stelle zunehmend die neuen elektronischen Modelle. U.a. wurde die erste Kienzle-Fakturiermaschine FM 36 sowie der Buchungsautomat Klasse 3000 und der Magnetkontencomputer 800 in Oberndorf gebaut. Außerdem übernahm Oberndorf 1962 die Produktion der Messschreiber und später der Digitaldrucker.

 

1971 erfolgte eine Neuorganisation des Zweigwerks Oberndorf. Abteilungen und Arbeitsabläufe wurden einer kompletten Neueinteilung unterzogen. Nach dem Ausscheiden des Betriebsleiters Grimm wurde der Standort nun von dem Technischen Leiter Josef Holzer und dem Verwaltungsleiter Heinrich Kammerer geführt. Nach dem Auslaufen der mechanischen Modelle, wurden in Oberndorf in den 70er Jahren Module für die EFAS 2000 und für das neue Terminalsystem 3000, Tastaturen für die Magnetkontensysteme der Klassen 6000, 6100 und 6600 sowie weiterhin das Kienzle-Druckerprogramm gebaut.

 

 

 

Das Ende des Standorts kam in den 1990er Jahren

In den 80er Jahren wurde am Standort Oberndorf immer stärker das Geschäft mit den Kienzle-Druckern konzentriert. Die Beschäftigtenzahl lag weiterhin zwischen 350 und 420 Arbeiter und Angestellten. Bei dem Verkauf der Kienzle-Computersparte an DEC verblieb das Werk Oberndorf mit dem Druckerbereich in der Gruppe Mannesmann Kienzle und wurde organisatorisch dem Druckerhersteller Mannesmann Tally zugeordnet. Mit der Krise dieses Unternehmens in den Jahren ab 1992 wurden zunehmend auch Mitarbeiter am Standort Oberndorf abgebaut, um schließlich den Standort an sich in Frage zu stellen. Im Frühjahr 1994 kam es schließlich zur Schließung des Tally-Werks in Oberndorf.

 

Armin Müller